erschienen in Kommunikaze 1, Januar 2003
Am 28. September diesen Jahres werden wir nach Berlin fahren. Wir, also Jan und ich, werden in Berlin nicht, wie man vielleicht meinen könnte, schnödes Sightseeing betreiben, sondern den Berlin-Marathon laufen.
Nun gut. Ein Marathon zählt 42,195 km und wird ohne Pause gelaufen. Von Seiten der Stadt Berlin ist geplant, dass wir uns an besagtem Sonntag um 9 Uhr vor dem Charlottenburger Tor treffen und dann durch Tiergarten, Mitte, Friedrichshain, Kreuzberg, Neukölln, Schöneberg, Steglitz und Zehlendorf laufen, bis wir im Ziel in Wilmersdorf angekommen sind
Nein, wir sind eigentlich bislang noch nie einen Marathon gelaufen. Wir laufen sonst eher wenig. Eher gar nicht. Ich bin einmal von Herford zu Fuß nach Bünde (Westfalen) gegangen, weil ich den Zug verpasst habe (20 km) und Jan ist früher einmal beim Zeitungen Austragen vor einem Hund weggelaufen. Aber sonst laufen wir, wie gesagt, eher wenig. Eigentlich sitzen wir lieber irgendwo und trinken Kaffee und rauchen Zigaretten. Außerdemgreifen wir in der Mensa eher zum zweiten Schnitzel als zum Gemüseschälchen. Aber das hat nun ein Ende, denn 42,195 km zu Fuß durch Berlin zu laufen, bedarf einer gründlichen Vorbereitung und vor allem einer gesunden Lebensweise. Das heißt, dass wir uns von nun an intensiv mit unserem Körper beschäftigen und Herz, Lunge, Puls und wie sie nicht alle heißen, Marathon-resistent trainieren müssen. Eine optimale Leistung entsteht nur durch ein bestmögliches Zusammenspiel der Rahmenbedingungen. Training, Regeneration, Ernährung, Technik, Taktik und Motivation müssen exakt aufeinander abgestimmt sein, damit wir unser hochgestecktes Ziel auch erreichen können.
Sicherlich werden wir gerade in den ersten Trainingseinheiten, die nun unmittelbar bevorstehen, uns die Füße wund laufen, am Morgen mit Muskelkater aufstehen und vielleicht werden wir ja auch unsere Bänder, Sehnen oder was da noch alles so rumhängt reißen. Auf jeden Fall ist es draußen schon mal saukalt, so dass wir uns in den nächsten zwei Monaten durch die dunklen, klirrend kalten Osnabrücker Straßen kämpfen müssen und mehr als einmal einen guten Grund haben werden, diesen bekloppten und sinnlosen Laufsport zum Teufel zu jagen. Es stellt sich also die Frage, warum wir das alles machen: Einfach nur so, oder steckt vielleicht ein wenig mehr dahinter? Nein, tut es nicht. Einfach nur so: Die Entscheidung, uns für den 30. Berlin-Marathon anzumelden entstand aus einer Laune heraus. Doch nun, da wir im Teilnehmerfeld eingeschrieben sind, 50 Euro Startgeld überwiesen haben und uns langsam klar wird, was wir da vorhaben, stellen sich uns natürlich gleich Tausende von Fragen: Wer läuft sonst noch mit? Kommen die Afrikaner auch wieder? Wann und wo ist die Siegerehrung? Und was gibt es überhaupt zu gewinnen? Geld- oder Sachpreise? Oder gar einen Wanderpokal?
Denn eigentlich haben wir uns gedacht: Wenn wir schon beim Berlin-Marathon mitlaufen müssen, dann bestimmt nicht, um am Ende Platz 11.004 zu belegen. Scheiß’ auf den olympischen Gedanken, jetzt wollen wir auch gewinnen. Wir müssen nur noch einen Weg finden, um schneller als alle anderen, um ziemlich schnell 42,195 km durch Berlin zu laufen.So haben wir dann erst einmal durch einen Blick auf die Streckenrekorde recherchiert, wie schnell man eigentlich 42,195 km durch Berlin laufen kann. Nehmen wir zum Beispiel Ronaldo da Costa: Der kann ziemlich gut ziemlich schnell 42,195 durch Berlin laufen. Ronaldo da Costa ist sozusagen der Mann, der am besten ziemlich schnell 42,195 km durch Berlin laufen kann. 1998 lief er den Marathon in Berlin in 2 Stunden, 6 Minuten und 5 Sekunden, und jetzt überlegen wir, wie wir es bis Ende September schaffen können, zwei Stunden ohne Unterbrechung 20 km/h schnell zu laufen. Aber das muss doch zu machen sein. In 2 Stunden, 6 Minuten und 5 Sekunden haben wir schon ganz andere Dinge erledigt. Außerdem sind wir voll motiviert, haben einen immensen Siegeswillen, kaufen uns noch gute Laufschuhe und dann brauchen wir auch noch so ein Puls-Mess-Ding, wie Jan meint, und wenn wir das erst haben, dann kann doch nichts mehr schief gehen.
Dazu noch das Buch „Perfektes Lauftraining“ von Herbert Steffny und Ulrich Pramann, das wir aber, nachdem wir folgenden Satz gelesen haben, sofort wieder aus der Hand legen: „ Es kann einem Debütanten nicht deutlich genug gesagt werden: Das einzige Ziel für den ersten Marathon ist es, ihn zu schaffen!“ Wie langweilig. Schade eigentlich. Das Buch war nämlich gar nicht so schlecht, mit ziemlich vielen Tabellen und Trainings- und Ernährungsplänen, mit einem Bild von Emil Zatopek und einem Lauf-Tagebuch zum selber Eintragen. Doch was bringt uns das alles, wenn es nur darum gehen soll, überhaupt anzukommen? Wir wollen schon ein wenig mehr und haben deshalb unser eigenes Trainingsprogramm auf die Beine gestellt. Es ist sehr schlicht gehalten und besteht aus zwei Punkten.
So wollen wir zunächst einmal die 42,195 km im Schlosspark ablaufen (18. Januar und dann jeden Sonnabend bis Ende April), um einmal einen Eindruck von der Strecke zu bekommen. Im zweiten Teil unseres Trainingsplans (jeden Sonnabend von Mai bis September) wird dann einen Gang höher geschaltet. Dann soll es darum gehen, ziemlich schnell die 42,195 km zu laufen, ergänzt durch einen rigoros vorbildlichen Lebenswandel. In unserer Euphorie lassen wir uns weder durch die gutgemeinten Ratschläge von Freunden („das schafft ihr doch nie“), noch durch Zerrungen, Knorpelschäden, Bauchweh oder sonstigen Beschwerden bremsen.
Jau, dann würde ich mal sagen: Auf geht’s. Also packen wir unseren Turnbeutel, Laufschuhe rein und Turnhose, Sporthemd und dieses Puls-Mess-Ding und laufen los. Hervorragend.
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