erschienen als Titelartikel in Kommunikaze 7, November 2003
Spitzenwetter, viel Strand, viel Meer und den ganzen Tag in Badehose, das ist zum Beispiel Spanien. Regen, Kälte, Schafe und dann wieder Regen, das ist Island. Also nichts wie hinein in die Hauptstadt der Insel, auf nach Reykjavik.
Wer kein Geld hat, bleibt natürlich am besten gleich zu Hause, denn hier ist alles mitunter ein wenig teurer als daheim. Nachdem wir mit dem Bus in der Innenstadt angekommen sind und den ersten Kaffee getrunken haben, sind schon die ersten zehn Euro weg. Eigentlich wollten wir ja jetzt etwas Essen gehen, aber die Preise in den örtlichen Restaurants würden das Tagesbudget unserer Reisekasse schon zur Mittagszeit sprengen. Bleibt vielleicht noch Zeit und ein wenig Geld für einen Besuch im Museum. Und um ehrlich zu sein, gerade deswegen waren wir ja auch gekommen. Denn unter den zahlreichen Museen der Stadt lockt uns vor allem eines: Das mit den Penissen.
In der Laugavegur, der Haupteinkaufsstraße der isländischen Hauptstadt, finden wir dann auch in einem Hinterhof das wohl weltweit einzigartige Phallus-Museum. Erst einmal eingetreten, erhebt sich sogleich rechts hinter einem Tresen ein grauer Herr aus einem alten Sessel, legt die Zeitung beiseite und begrüßt uns recht freundlich. Es ist Sigurdur Hjartasson, Leiter des Museums und Besitzer von 183 Penissen aus dem Tierreich. Hjartasson, so wissen wir, ist Lehrer für Englisch und Geschichte an einer örtlichen Schule und hat, seitdem er als kleiner Junge eine Peitsche geschenkt bekam, die aus einem Stierpenis gemacht war, seine Leidenschaft für die Phallologie entdeckt. Sein gebrochenes Englisch lässt uns nicht alles verstehen, als er ansetzt und uns über den Bestand seines Museums aufklärt. Wir grinsen aber verständnisvoll und bekommen dann ein Faltblatt in die Hand gedrückt, das uns durch die Ausstellung führen soll.
Es ist erst 14 Uhr, Hjartasson hat das Museum gerade erst geöffnet, und es ist noch nicht allzu viel Betrieb in der kleinen Stube, die er sein Museum nennt. Wir brauchen ein wenig, um uns zu recht zu finden. Auf den ersten Blick wirkt alles sehr unübersichtlich. Überall hängen Dinge von den Wänden, die nicht wirklich einen Penis erahnen lassen, in einer großen Vitrine liegt jede Menge Kram, und auf Tischen stehen zahlreiche Gläser, in denen irgendetwas schwimmt. Was liegt also näher, als einfach mal mit dem größten Exemplar anzufangen. In einem riesigem Glas, eingelegt in Formaldehyd, der Penis eines Pottwals. 170 cm hoch und 75 kg schwer ist der Apparat, dessen Besitzer 1999 in Hrutafjördur an der nördlichen Küste Islands strandete und auf Grund einer Darmverstopfung starb. So klärt uns zumindest später Museums-Leiter Hjartasson auf.
Weiter geht es. In der großen Vitrine finden wir dann alles, was man hierzulande auf der Straße sieht oder zu Hause in der Wohnung hat. Katze, Hund, Hamster, Maus und alle, denen Hjartasson bislang schon Hoden und Penis abtrennen konnte. Die Landsäugetiere bilden die größte Gruppe, in der Sammlung, gefolgt von 38 Walen und 19 Robben. Und während wir noch in die Vitrine starren, ruft es aus dem Hintergrund: „Häff jak seen de Bjier?“. Es ist Hjartasson, der auf einmal hinter uns steht und womöglich den Eisbären-Penis meint. An diesem Exemplar muss etwas besonderes sein, denn der bärtige Museumsleiter erzählt uns lang und breit von diesem Penis eines Eisbären, und es geht wohl irgendwie um einen Knochen oder so, der Rest erschließt sich uns aber nicht. Nun kommen wir zu den ganzen Gläsern, die auf den Tischen und Regalen stehen. Alle, die schon immer mal wissen wollten, wie der Pillermann eines nördlichen Entenwals aussieht, werden hier fündig. Ich weiß noch nicht einmal, wie ein nördlicher Entenwal aussieht. Der Rest ist ebenso unbekannt: Ringel-, Kegel- und Bartrobbe. Sieht alles ganz witzig aus, in das eigene Wohnzimmer will man es sich aber wohl nicht stellen.
Als wir dann bei der Sattelrobbe angekommen sind, ist Hjartasson hinter der Glasvitrine bemüht, unsere Aufmerksamkeit auf etwas anderes zu lenken. „Hjier es de smolst one!“ ruft er zu uns herüber, aufgeregt wie ein kleines Kind, das soeben beim Eiersuchen den Schokoladenhasen gefunden hat. Der Penis eines Hamsters misst gerade einmal 2 mm, erklärt er uns. Während er spricht, entdecken wir hinter ihm eine durchaus nicht handelsübliche Lampe zwischen den ganzen Geschlechtsteilen. Die Lampe hat der Herr Museumsleiter selbst entworfen und gebaut. Der Ständer ist ein selbstgeschnitzter Holzdildo, den Lampenschirm hat er aus irgendwelchen Hoden zusammengenäht.
Wir verweilen noch ein wenig mit Herrn Hjartasson und lassen uns darüber aufklären, dass er auch schon Schenkungsurkunden von drei Herren bekommen hat, die nach ihrem Tod ihr bestes Stück im Museum ausstellen lassen wollen. Auf ihren Tod müssen wir zwar noch warten, aber immerhin hat mit John Dover aus den Vereinigten Staaten einer der Spender schon mal ein Foto geschickt, das neben den Urkunden an der Wand hängt. Hjartasson erzählt noch ein paar Geschichten, wie er an die Küsten fährt, wenn Wale stranden, und sich dort holt, was er noch in seinem Museum unterbringen kann. Dann fragt er, ob wir auch alles fotografiert haben und bietet uns an, noch ein Bild von uns zu machen, natürlich „in front of de big one“. Also nehmen wir den Pottwalpenis in unsere Mitte und Hjartasson drückt ab.
Wir drehen noch eine Runde durch die Stube und schreiben uns in das Gästebuch. Gleich unter dem Eintrag „Einmal ein Pottwalweibchen sein!“ schmieren wir einen netten Dankesgruß und verabschieden uns vom Museumsleiter, der nun schon einer Gruppe junger Italienerinnen auflauert. Als wir uns durch den Hinterhof vom Museum entfernen, dringt aus dem Inneren noch ein nächstes „Häff jak seen de Bjier?“...
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